WEBSITE ÜBER DIE 

DDR-OFFENE CHANSONTAGE IM KLOSTER MICHAELSSTEIN


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Werner Bernreuther über die Chansontage:
Als Stellvertretender Vorsitzender der Sektion Lied und Kleinkunst beim Zentralkommittee für Unterhaltungskunst, zuständig für Aus- und Weiterbildung und Mitglied der Zentralen Honorarkommission war ich in der untergeordneten Bezirkshierarchie der Mann aus Berlin: Die Meinung wird in Berlin gemacht. Und ich war aus Berlin. Das war das Spiel. Und ich muss sagen, das Spiel hat mir auch Spaß gemacht.

Mitveranstalter war das Bezirkskabinett für Kulturarbeit Magdeburg: „Die Chansontage waren nicht billig.“

"Im Kloster Michaelstein durfte dort jeder sein Lied singen.“




Rechtsbündig folgend die Sicht des Stasi-Beobachters Major Kolbe, der ab 1984 dabei war. Aber sofort enttart wurde, weil er als Vater des DDR-Lyrikers Uwe Kolbe kein Unbekannter war.

Er hat mitgeschrieben. Pro Jahr über 50 Seiten Dossier.


Rechtsbündig, dunkelbraun: Die geheimen Mitschriften des Majors Kolbe alias Werner Weber
ALLE ZITATE AUS alle Zitate aus BSTU Magdeburg, Abteilung XX, 3827, Werner Weber, Operation „Fliegenfalle“,

Klarname Urich Kolbe, geb. 24.5.1933 in Berlin-Charlottenburg, laut BSTU Magdeburg, Schreiben vom 4.9.2002, 000199/93M
:



BSTU 000009
Aus Andeutungen des Schleminger, Wolfgang … war zu schließen, dass es sich bei den Chansontagen in Michaelsstein ursprünglich um ein Treffen handelte, dass durch den Kreis um Schlemminger aufgrund privaten Interesses und persönlicher Beziehungen ohne Hinzuziehung staatlicher oder gesellschaftlicher Träger organisiert wurde. … aus seinem „lobenden Äußerungen“ war anzumerken,, dass die offiziellen Veranstalter … einen Teil der Kosten, einen großen Teil der technisch-organisatorischen Vorbereitung … übernahmen, ohne die grundsätzlichen Vorstellungen und Möglichkeiten der gesitigen und faktischen Initiatoren auch nur anzutasten, möglicherweise ohne sie überhaupt wahrzunehmen.





BSTU 000013
Die anwesnden Mitarbeiter und verantwortlichen Vertreter der Veranstaltung verhielten sich gegenüber den Teilnehmern und besonders angesichts massiver „systemkritischer“ und z.T. staatsfeindlicher Äußerungen in Liedern und Diskussionen völlig passiv.

Außer einer kurzen Begrüßung durch das Mitglied des Rates des Kreises Wernigerode und Leiter der Abteilung Kultur, Genossen Spott bei der offiziellen Eröffnung der 9. Chansontage ….gab es … nicht einmal den Versuch, aktuelle Fragen der Politik und Kulturpolitik von Partei und Regierung an die Teilnehmer heranzutragen.



[anwesende Mitglieder der Rät des Kreises/Bezirkes waren laut Stasibericht von Major Kolbe (Schreib/Fehler nicht auszuschließen): Werner Spott, Joachim Winkelmann, Michael Maquardt, Knut Bastel. Konzeption: Edelgard Niendorf und Joachim Schmiedel]




BSTU 00007
Die Mehrzahl der Teilnehmer versteht sich eindeutig als berufene Kritiker von als kritikwürdig angesehenen Erscheinungen im gesellschaftlichen Leben der DDR. Dabei meint ein Teil der Sänger diese Haltung subjektiv ehrlich und behauptet, damit der Überwindung dieser behaupteten Mängel zu dienen. Ein anderer, nicht unwesentlicher Teil der Teilnehmer steht mehr oder weniger auf sozialismusfremden, teilweise feindlich-negativen, staatsfeindlichen Positionen.
[Es] gab … nur verschwindend wenige auftretende Teilnehmer, die in einem oder mehreren Liedern eine positiv parteiliche Haltung mit eindeutiger Aussage spüren ließen.






BSTU, 000014
Das Bestreben der … Initiatoren … unter Nutzung des Treffens in Michaelsstein miteinander in ständigen Kontakt zu kommen und unter Ausschaltung staatlicher oder gesellschaftlicher kulturleitender Organe einen Austausch ihrer Ideen, Lieder und Auftritte zu organisieren, womit Michaelsstein objektiv zu einer Art „Transmissionsriemen“ wurde, wurde durch die offiziellen staatlichen Veranstalter noch dadurch verstärkt, dass jedem interessierten Teilnehmer am Abreisetag ein durch die Veranstalter …. hergestellter thermokopierter Abzug der vollständigen Teilnehmerliste mit allen Anschriften zur Mitnehme zur Verfügung stand!
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass von den faktisch „privat“ angefertigten Mitschnitten der beiden Konzerte und der meisten Liedvorstellungen Umschnitte hergestellt werden und in den interessierten Untergrund, u.U. auch in die Hände gegnerischer Insitutionen gelangen.
Ähnliches ist auch im Fall der Aktivitäten der Fotografin Brigitte Kühlewind potentiell möglich (Anmerkung d. Red: Brigitte Kühlewind wurde einig Jahre später inhaftiert).



Teilnehmer der Chansontage waren:
Wolfgang Schlemminger, Thomas Riedel
Gerhard Schöne, die Gruppe Liedehrlich mit Stephan Krawczyk, Jürgen B. Wolff, Reinhard DroglaHubertus Schmidt und Susanne Grütz, Dieter Kalka, Andreas Reimann, Dietmar Halbhuber, Dieter Beckert, Gruppe Wildemann, Gruppe Aufwind, Piatkowski und Rieck, Jens-Paul Wollenberg mit der Gruppe Huywäldler alias Münzenberger Gevattern-Combo alias Tuchhübel, Martin Rühmann, Gruppe Anfang März, Michael „Massa“ Großwig, Dietmar Voigt, Stephan König, Jörg Schneider, Thomas HankeFrank Viehweg, Ralf Elsässer, Andreas Breitenstein, Akram Mutlak, die Gruppe Wachholder, Rainer Schulze, Volkmar Funke, Stefan Töpelmann, Frank und Frey, Norbert Bischoff, Dieter Pischowski, Eckhard WenzelJoachim Schäfer, Ilona Schlott, Menzel Menzel Mau, Michael Pein, Bodewell & Stoy, Akram Mutlak, Maria Ziemer, Kerstin Marx, Rainer Schulze, Ilona Schlott, Stefan Töpelmann, Dieter Pichowski, Stefan Ullmann, Brigitte Kühlewindt (Fotografin), Martin Rühmann, Andreas Nath, Rainer Hochmuth, Uwe Hollack, Ralf Matern, Wolf-Dieter Skibba, Gerald Fuchs, Gabriele Zimmermann, Reinhold Andert, Gina Pietzsch, Jürgen Eger, u.a.


BSTU 00018
[Argumente], … denen durch ihre Äußerungen oder ihr Schweigen also im Verständnis unbefangener Zuhörer von allen zugestimmt wurde:
- In der DDR haben „die Funktionäre“ Macht und Privilegien, die sie meist missbrauchen...
- insbesondere die „Kulturfunktionäre“ unterdrücken jede künstlerische Äußerung, besonders die von Liedermachern, die kritikwürdige Erscheinungen zur Sprache bringen, es herrscht ein System von Schönfärberei und Lobhudelei; gegenüber Leuten, die „die Wahrheit sagen“, wird mit Auftrittsverboten, Zulassungsentzug und Zensur gearbeitet
- das Nationale Jugendfestival der DDR diente ausschließlich der Verherrlichung der führenden Repräsentanten … Liedermacher und andere Künstler, die nicht „laute Agitation“ machten, wurden nicht geduldet
- die Agitation und Propaganda sowie die Informationspolitik der DDR sind laut, übertrieben, oft falsch und lückenhaft, sie wird von großen Teilen der Bevölkerung, besonders der Jugend, nicht geglaubt oder ignoriert …

- Wehrerziehung bei Kindern, Militärgerät und Waffen als Spielzeug sind grundsätzlich abzulehnen
- Schikanen und menschenunwürdige Behandlung von Wehrpflichtigen bei der NVA … sind Teil der militärischen Erziehung
- jede weitere Modernisierung und Steigerung der Rüstungsanstrengungen … ist sinnlos
- die europäische und globale Umweltkatastrophe ist unaufhaltsam, wenn nicht der „Irrtum von der Notwendigkeit ständigen Wachstums“ endlich aufgegeben wird...
- in der DDR nehmen die Vereinsamung der Menschen, Zukunftsunsicherheit, Egoismus, Brutalität und Gleichgültigkeit untereinander, Fragwürdigkeit des Sinnes des eigenen Lebens, die Selbstmordrate zu


Maßnahmenplan von Major Kolbe zur „Unterwanderung und Zersetzung“ der Chansontage:

BSTU 00030
Bei kluger operativer … Taktik bieten die Chansontage … die Möglichkeit kulturpolitischer Einflussnahme sowie des operativen Eindringens zum Zweck der Identifizierung, Aufklärung, Beeinflussung und gegebenenfalls Zersetzung bzw. strafrechtlicher Verfolgung staatsfeindlicher Personen, Gruppierungen, Vorhaben und Plänen in der betreffenden „Szene“.









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