bin ich jude bin ich pole

ich bin bürger des landes

wo man schon bald

energie nur noch

mittels spiegeln erhält

ich bin der sohn einer mutter

deren milch nach polonaise schmeckt

und die roten nippel nach salz

wie tränen oder blut

bin ich jude bin ich pole

auf beiden halbkugeln findet ihr meinen kot

stolz bin ich dennoch wenn ich mein gesicht

mit der schutzlosen hand auf der straße

beim geschlagenwerden verhülle

bin ich jude bin ich pole

bin ein gewöhnlicher jude

ein gewöhnlicher pole

doch ich weiß: nie würde ich

meine idee für dreißig silberlinge verkaufen

obwohl mir bisher keiner

auch nur eine centime

bot

bin ich jude bin ich pole

wer weiß

ich weiß nicht

habe ich noch was zu bieten ?

Nachdichtung: Dieter Kalka

Bei meinem ersten Lublin-Trip hörte ich so viel Interessantes über Krzysztof, daß ich ihn in seinem Stammcafe aufsuchen wollte - jedoch nie antraf. Ich habe die Odyssee und andere faszinierende Phänomene über die Lubliner Szene in meinem Essay "Lublin - das Tor zum Osten" beschrieben. Zwei Jahre später, als ich seine ersten Texte übersetzt hatte, gelang es mir, ihn zu einer Lesung während der Leipziger Buchmesse einzuladen. Als wir während des Poesiefestivals '95 zu Lesungen durch Thüringen reisten und auch in Weimar Station machten, saßen wir zusammen im Cafe neben dem Schillerhaus und Krzysztof bestellte "Sto Gramm" und trank sie auf den armen deutschen Poeten.

Krzysztof wurde '56 in Lublin geboren und gehört zu den polnischen Neo-Klassikern (dei beiden hier publizierten Texte sind nun grade keine Sonette). Über folgendes Gedicht erzählte er mir, daß ihm seine Mutter, erst nachdem er den Text geschrieben hatte, verriet, daß er tatsächlich jüdischer Abstammung sei.

Neben der Publikation im "Lubliner Lift" sind seine Texte u.a. im Ostragehege und im Muschelhaufen publiziert.

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