Polen: Politischer Aufbau und Politik

 

Übersicht: Politischer Aufbau, Der Sejm (das Parlament), Staatsoberhaupt, Parteienlandschaft, Wahlen zum Sejm vom 21.9.1997, Verwaltungsstruktur: Wojewodschaften, Kreise und Gemeinden, Außenpolitik, Polens Verhältnis zu NATO, EU und Deutschland, Umwelt und Umweltpolitik

 

Politischer Aufbau

- 2-Kammern-Parlament (Sejm), 460 Abgeordnete

- Senat (100 Mitglieder, nach dem Mehrheitswahlsystem auf Ebene der Wojewodschaften gewählt)

- 5-Prozent-Klausel

 

Der Sejm (das Parlament)

Der Sejm kann mit Zweidrittelmehrheit die Auflösung beider Kammern beschließen (Art. 98), wenn es einer Regierungsbildung nicht zustimmt oder der Haushalt nicht innerhalb von vier Monaten beschlossen ist

Die Immunität der Parlamentsmitglieder kann nur mit 2/3-Mehrheit aufgehoben werden. Die Kammern können parlamentarische Untersuchungsausschüsse einsetzen.

Gesetzgebend ist das Parlament, letztendlich entscheidet es dabei und beim Haushalt vor dem Senat. Der Staatspräsident kann gegen beschlossenen Gesetze Einspruch erheben. Das Parlament kann sich mit 3/5-Mehrheit darüber hinwegsetzen. Volksabstimmungen sind möglich auf Vorschlag das Senats bzw. des Staatspräsidenten.

Staatsoberhaupt

Staatspräsident Aleksander Kwasniewski, Amtszeit von 1995 - 2000 in direkter Wahl am 19.11.1995 mit 51,72 % im zweiten Wahlgang gewählt. Gegenkandidaten Lech Walêsa (im zweiten Wahlgang mit 48,28 %). Im ersten Wahlgang traten u.a. weiterhin an Jacek Kuroñ (9,2%), Jan Olszewski (6,9%), Waldemar Pawlak (4,3%).

Die starke Stellung des Staatspräsidenten ist durch die Verfassung geregelt. Er ernennt den Ministerpräsidenten, setzt Parlamentswahlen fest und hat das Vetorecht gegen beschlossene Gesetze, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, ernennt den Vorsitzenden des Obersten Gerichtes, des Verfassungsgerichts, schlägt den Präsidenten der Zentralbank Polens vor etc.

Parteienlandschaft

Vielparteiensystem: 1993 gab 400 politische Gruppierungen, 150 Parteien. Mittel aus dem Staatshaushalt erhalten die Parteien nur zur Wahlkampffinanzierung.

AWS (Wahlaktion Solidarnosc)

Parteivorsitzender: Marian Krzaklewski

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: 33,8%, 201 Sitze

Dem Vorsitzenden ist es gelungen, 40 aus der Solidarnosc hervorgegangene Splittergruppen aus dem Gewerkschaftsflügeln, den Klerikalen und den Konservativ-Liberalen zu einem Wahlbündnis zusammenzuschmieden, das in sich fundamentalistisch agiert, die Privatisierung behindert und die Kontroll- und Verteilerfunktion des Staates stärkt.

SLD/SdRP (Demokratische Linksallianz/Sozialdemokratie der RP)

Parteivorsitzender: Józef Oleksy

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: 27,1 %, 164 Sitze

Die SdPR hat sich als sozialdemokratische Partei aus dem Reformflügel der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei heraus gebildet und hat in ihrer Regierungszeit ab '93 die Einbindung Polens in EU und Nato sowie die Umstellung auf die Marktwirtschaft gestaltet.

Die SLD besteht aus 29 verschiedenen Parteien, meist Nachfolger regimetreuer Vorwendeparteien, darunter auch einige regimenahe Gewerkschaften sowie der Polnische Lehrerverband aus der Vorwendezeit und die Sozialistische Partei Polens.

UW (Freiheitsunion)

Parteivorsitzender: Leszek Balcerowicz

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: 13,4%, 60 Sitze

In ihr sammelten sich die heute prominentesten Solidarnosc- und Reformpolitiker sowie namhafter an der Umgestaltung Polens beteiligter Intellektueller.

PSL (Polnische Bauernpartei)

Parteivorsitzender: Jaroslaw Kalinowski

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: 7,3%, 27 Sitze

Sie ist die Nachfolgerin der ehemaligen Bauern-Blockpartei, befürchtet ein Sterben der Kleinhöfe bei einem EU-Beitritt, unterhält enge Beziehungen zur katholischen Kirche und ist in zwei Flügel (die jeweils Kleinhöfe oder größere Landwirtschaftsstrukturen befürworten) gespalten.

ROP (Bewegung für Polens Wiederaufbau)

Parteivorsitzender: Jan Olszewski

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: 5,6%, 6 Sitze

Antieuropäische Stimmungsmacher und klerikale Nationalisten mit extrempopolistischen Losungen.

UP (Arbeitsunion)

Parteivorsitzender: Alekzander Malawochski

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: 4,7 %, scheiterten an der 5%-Hürde

Sozialdemokratische Partei mit Schwerpunkt sozialer Gerechtigkeit, steht marktwirtschaftlichen Reformen eher skeptisch gegenüber, gibt sich stark antiklerikal, besteht aus einem Teil aus ehemaligen Solidarnosc- und PZPR-Mitgliedern.

KPN (Konförderation Unabhängiges Polen)

Parteivorsitzender: Leszek Moczulski

Stimmenanteil bei der Wahl 1997: nicht mehr im Sejm

Größte nationalistische Partei, gab sich oft antisowjetisch. Im Zerfall begriffen, da keine eindeutige formulierte Zielstellung und Programm.

Wenigstens eine Kuriosität im polnischen Parteienspektrum sei am Schluß erwähnt:

Die PPPP (Polska Partia Przyjaciól Piwa - die Partei Polnischer Bierfreunde) erreichte 1991 immerhin 3,3 % der Stimmen und damit 16 biertrinkende Abgeordnete.

Wahlen zum Sejm vom 21.9.1997

(Wahlbeteiligung 47,93 %)

Zahlenangaben: Stimmen/ Sitze

AWS - Wahlaktion Solidarnosc: 33,83/ 201

SLD - Demokratische Linke Allianz: 27,13/ 164

UW - Freiheitsunion: 13,37/ 60

PSL - Polnische Bauernpartei: 7,31/ 27

ROP - Bew. f. d. Wiederauf. Polens: 5,56/ 6

Deutsche Minderheit: 0,62/ 2

Senat: 100 Senatoren

AWS: 51

SLD: 28

UW: 8

ROP: 5

PSL: 2

Unabhängig: 6

Deutsche Minderheit: 0

Verwaltungsstruktur: Wojewodschaften, Kreise, Gemeinden

Am 1.1.1999 trat die Verwaltungsreform in Kraft. Anstatt der bis 49 Wojewodschaften gibt es noch 16. Die Größe entspricht in etwa den der deutschen Bundesländer. Vor allem in Schlesien gab es Widerstand, weil die dort von der deutschen Minderheit bewohnte Wojewodschaft aufgelöst werden sollte, was Befürchtungen um das Mitspracherecht der Minderheit auslöste.

Der Wojewode wird vom Ministerrat eingesetzt. Er überwacht die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane. Organe sind der Wojewodschaftstag (Sejmik Województwa) und der Wojewodschaftsrat (Zarz¹d Województwa).

Aufgaben der Wojewodschaftsorgane liegen im Bereich: wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur, Wissenschaft, Kultur und Bildung, Standortmarketing, Umwelt, Soziales, Ordnung und Sicherheit, Abbau der Arbeitslosigkeit.

Die neuen Wojewodschaften

(im Westen von Nord nach Süd)

Zachodni Pomorski (Westpommern)

Lubuskie (Lubus)

Dolnoslaskie (Niederschlesien)

(Zentralpolen von Ost nach West und Nord nach Süd)

Pomorskie (Pommern, wortwörtlich: Hinterm Meer)

Warminski Mazurskie

Kujawsko Pomorskie

Mazowieckie

Wielkopolskie (Großpolen)

Lodzkie (Lodsch)

Swietokrzyskie (Heiligenkreuz)

Opolskie (Oppeln)

Slaskie (Schlesien)

Malopolskie (Kleinpolen)

(Im Osten von Nord nach Süd)

Podlaskie

Lubuskie (Lublin)

Podkarpadski (Vorkarpaten)

Die Wojewodschaften sind in Kreise unterteilt. Oberstes Organ ist der Kreistag (Rada Powiatu). Aufgaben der Kreise sind: (mittlere) Bildung, Gesundheit und Soziales, Sport und Toursimus, Kultur, Verkehrs- und Straßenwesen, Landwirtschaft, Umwelt, Katastrophenschutz, Flächen- und Raumplanung im Bauwesen.

Die Gemeinde (Gmina) wählt über den Gemeinderat ihre Vertreter (Ratsmitglieder), Schulzen (Wójt) bzw. in Städten ab 100.000 Einwohner den (Stadt)Präsidenten (Prezident Miasto). Referenden sind auf allen Ebenen (Wojewodschaft, Kreis, Stadt) jederzeit möglich. Die Aufgaben der Gemeinden betreffen alle kommunalen Bedürfnisse.

Bei wiederholten Verstößen gegen die polnische Verfassung ist der polnische Sejm (Parlament) in der Lage, Land- und Kreistage sowie Gemeinderäte aufzulösen. Das hat Neuwahlen zur Folge.

Außenpolitik

Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Welt- und Wertesystems veränderten sich alle um Polen liegenden Staaten grundlegend. Daher suchte Polen eine neue Verankerung in bestehende Sicherheitssysteme. Schon 1990 wurden Deutschland und Frankreich als Partner gewonnen, sich für die Einbindung Polens in die NATO und EU einzusetzen.

Mit Litauen und Weißrußland wurden Nachbarschaftsverträge abgeschlossen, die vor allem die Frage der ethnischen Minderheiten der jeweiligen Nachbarländer regeln sollten. Mit der Ukraine wurde das bis dato komplizierte Verhältnis (Partisanenkriege bis in die 50er Jahre etc.) entschärft.

Die wichtigsten Fragen der polnischen Außenpolitik wurden vom damaligen Außenminister Krzysztof Skubiszewski 1992 formuliert: Orientierung auf Mitgliedschaft in NATO und EU, Einbindung in europäische Sicherheitssysteme wie OSZE, Harmonisierung aller Beziehungen mit den Nachbarländern, Entwicklung regionaler Beziehungen und Zusammenarbeit mit Westeuropa sowie den USA.

Polens Verhältnis zu NATO, EU und Deutschland

Polen wurde 1999 in die NATO aufgenommen. Das wichtigstes Ziel für die nähere Zukunft ist der Beitritt in die EU. Dabei bemüht sich das Land, die strengen Konvergenzkriterien als Maßstab für seine Politik umzusetzen. Von der polnischen Regierung sind die harten Konvergenzkriterien zwar eine Hürde, vor allem in Hinsicht auf die Geldpolitik, dennoch wird an der Richtigkeit dieses Weges innerhalb der Regierung nicht gezweifelt.

Auf diesem Weg erhält Polen vor allem von deutschen Politikern Unterstützung. Das Verhältnis beider Länder charakterisiert folgendes Zitat: "Polen ist seit dem Mittelalter von den deutsch-polnischen Wechselbeziehungen geprägt. Ihre Spuren lassen sich bereits in den ersten polnischen Chroniken, Psaltern und religiösen Dichtungen des 14. Jahrhunderts feststellen..."

Die deutsch-polnischen Beziehungen waren in den vergangenen zwei Jahrhunderten nie so durchdringend und nutzbringend wie heute. Polen sieht in Deutschland den wichtigsten und zuverlässigsten Partner.

Die Wende in der deutsch-polnischen Außenpolitik wurde 1989 mit der Versöhnungsgeste Mazowieckis und Kohls sowie der Gemeinsamen Erklärung und ein Jahr später vom polnischen Außenminister Krzysztof Skubiszewski mit dem Begriff der "polnisch-deutschen Interessengemeinschaft" eingeläutet. Dazu kam der 1990 abgeschlossene Grenzvertrag und der wiederum ein Jahr später unterzeichnete Mammut-Vertragswerk, der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag.

Durch die Einrichtung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit sind Initiativen wie das Deutsch-Polnische Jugendwerk und eine angesehene Reihe von Vereinen, Instituten wenigstens einigermaßen in der Lage, diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen. Hervorzuheben sei an dieser Stelle die Initiative deutscher und polnischer Schriftsteller, die sich einmal jährlich im September auf dem deutsch-polnischen Poetendampfer auf der Oder treffen und Veranstaltungen auf deutscher und polnischer Seite gestalten.

Dennoch sei anzumerken, daß die finanzielle Ausstattung deutsch-polnischer Projekte auf der Nicht-Regierungsebene arg zu wünschen übrig läßt und die von einer Idee Begeisterten nicht selten in die Zwangslage versetzen, am Ende auch noch die Sachkosten selbst zu finanzieren.

Während auf der staatlichen Ebene die Probleme der Grenzabfertigung geklärt werden konnten, ebenso eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der grenznahen Raumordnung in Gang kam, Abkommen über Kooperation zum Umweltschutz, Katastrophenhilfe und militärische sowie Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung unterzeichnet wurden, selbst beim Brückenbau reicht man sich die Hände, scheinen sich, so entsteht der Eindruck, die einfachen - vielleicht nicht so wichtigen - zwischenmenschlichen Dinge auf den Polenmärkten schon irgendwie einzurenken.

Umwelt und Umweltpolitik

Das ökologische Erbe der kommunistischen Ära ist Luftverschmutzung (in Ballungsräumen), Waldsterben, Verschmutzung der Flüsse (überhaupt ist der Anteil ungeklärter Abwässer sehr hoch, was zu Problemen bei der Wasseraufbereitung und Trinkwasserversorgung führt) sowie Bodenverschmutzung. Schätzungen zufolge benötigt Polen in den 80 Mrd. $, um die Lage in den nächsten Jahrzehnten zu ändern.

Infolge von internationalen Hilfsprogrammen konnten Finanzen zur Erhaltung der Wälder bereitgestellt werden. Desweiteren beteiligt sich Polen an verschiedensten internationalen Kommissionen und Konventionen zum Arten- und Umweltschutz.

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