Ja, er war bei mir, obwohl er mehr ein Jongleur war. Aber er zauberte auch. Vor allem verzauberte er. Am meisten verzauberte er in der Vorweihnachtszeit. Nicht als Gehilfe des Weihnachtsmannes, sondern zu all den großen und kleinen Weihnachtfeiern und in Einkaufszentren für die Kinder. Er zauberte und redete dabei so viel, daß er seine Stimme verloren hatte. Sie lag wohl irgendwo zwischen den Geschenken und Auslagen und versteckte sich. Da er sich bei seinen Kunststückchen drehen und verbiegen mußte, beim Jonglieren von Bällen und Tellern, fiel ihm das Reden noch schwerer. Wahrscheinlich waren seine Knochen von all der Anstrengung auch schon etwas verbogen und die Muskeln waren wie Schiffsseile so dick geworden und verdreht und dehnten sich nicht mehr und das drückte auf seinen Hals und er klang nicht viel besser als ein heiserer Rabe, wenn er überhaupt etwas herausbekam. Ich habe dann die Schiffsseile entknotet, sozusagen. Wir haben uns gereckt und gestreckt und ich habe ihm Kreide zu fressen gegeben – im übertragenen Sinne. Er bekam dann eine ölige Stimme, eine weiche, er redete langsamer und leiser. Er hatte sowieso ein Mikrophon. Er mußte nicht laut sein. Er wußte es nur nicht. Wir übten seine Passagen, weil, wenn er jonglierte, war er abgelenkt und vergaß die „Kreide“. Ein Jahr danach kam er wieder zu mir. Am Anfang des Neuen Jahres. Hören Sie meine Stimme, sagte er. Ich habe den ganzen Dezember geredet. Es war nicht anstrengend. Er übergab mir ein kleines Päckchen. Drin sechs kleine Jonglierbälle, wie sie nur Zauberer und Artisten haben. Die liegen jetzt in meinem Regal, obwohl ich kein Artist bin und warten auf einen, der zaubern kann.
Logopädische Praxis im Ärztehaus Wiedebachpassagen am Connewitzer Kreuz